Kleine Anfrage: Terrorzentrum GETZ beobachtet Geheimdienst-Kritik

Wer den Geheimdienst „Verfassungsschutz“ kritisiert, wird Thema im Terrorabwehrzentrum. Das zeigt die Antwort auf eine kleine Anfrage der linken Bundestags-Abgeordneten Martina Renner. Die Abgeordnete fragte die Regierung, ob sich in den letzten beiden Jahren das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ)“ mit dem Verändern von Werbepostern beschäftigt habe. Die Antwort der Bundesregierung zeigt: Ausgerechnet eine Poster-Aktion zum Jahrestag der Selbstenttarnung der rechten Terrorgruppe NSU war 2021 Thema im Terrorzentrum GETZ.

Die damalige Aktion der „Interventionistischen Linken“ kritisierte den Geheimdienst „Verfassungsschutz“, weil dieser die Aufklärung der Morde und Bombenattentate sabotierte und anschließend die Akten schredderte. „Sachliche Kritik am Geheimdienst reicht offenbar für eine Erwähnung im Terrorzentrum“ fasst Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ die Kleine Anfrage zusammen. Die ganze Antwort der Bundesregierung finden Sie hier (Drucksache 20/2264).

Nicht strafbar- trotzdem Terrorzentrum?
Denn strafbar sind diese Aktionen nicht. Anlässlich anderer Adbusting-Aktionen sammelte die Soligruppe plakativ Entscheidungen von Staatsanwaltschaften. Das Ergebnis aus Berlin, Hamburg, Erlangen, München, Stuttgart: Das Hineinhängen eigener Plakate in Werbevitrinen im öffentlichen Raum ist nicht strafbar, wenn dabei nichts beschädigt oder gestohlen wird. „Aus genau diesem Grund scheiterte 2019 in Berlin der
allererste Adbusting-Gerichtsprozess in der Historie der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung“ erklärt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. „Und wie die Bilder der Aktion zeigen, ist die IL genauso vorgegangen.“

https://10jahredanach.noblogs.org/

https://enough-is-enough14.org/2021/11/05/bundesweite-adbusting-und-plakat-aktion-verfassungsschutz-abschaffen/

https://twitter.com/iL_Hamburg/status/1456183966571106310/photo/4

Terrorzentrum guckt regelmäßig Adbustings
Laut vorherigen Kleinen Anfragen waren bereits 2018/19 unter dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vier Adbusting-Aktionen Thema im Terrorzentrum GETZ. Die Bundesregierung weigerte sich damals, mitzuteilen, um welche vier Aktionen es sich
handele. Denn diese Information würden angeblich die Sicherheit der Bundesrepublik bedrohen. Wenige Wochen später machte der Berliner Innensenat drei der Aktionen bekannt. Eine davon kritisierte die Geheimdienste ebenfalls wegen ihrer Rolle im NSU-Skandal. „Wenigstens
gibt die Bundesregierung diesmal zu, dass die Geheimen Kritik stört und erfindet nicht wieder irgendeinen Bullshit“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ.

https://plakativ.blackblogs.org/2020/06/19/vs-berlin-meldet-adbustings-ans-terrorabwehrzentrum-weil-sie-fuer-angemeldete-demos-werben/

Terrorzentrum verfolgt Peng-Kollektiv
Auch 2021 stand das Terrorzentrum GETZ in der Kritik, weil eine parlamentarische Anfrage des Berliner Abgeordneten Niklas Schrader zeigte, dass das Terrorzentrum die Kleinkunstgruppe „Peng-Kollektiv“
beobachtete. Grund dafür war eine Website, welche die Standorte von Kolonialismus und Rassismus verherrlichenden Schandmalen zeigte. Durch das Label „Terror“ enthemmt, führte der Berliner Staatsschutz bei
Adbuster*innen und beim Kleinkunstkollektiv „Peng“ Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen durch. Gestoppt wurde die Polizei erst durch die Empörung von Öffentlichkeit, Medien und Abgeordneten.

https://pen.gg/2021/offener-brief-der-vielen-an-den-berliner-senat/

Das Terrorzentrum GETZ wurde nach der Selbstenttarnung des NSU gegründet. Das Terrorabwehrzentrum GETZ sollte Geheimdienste und Polizei besser vernetzen und außerdem institutionellem Rassismus vorbeugen. „Wie der Rassismus verschwinden soll, weil mensch autoritäre Charaktere von
42 Behörden gemeinsam alle zwei Wochen in einem Raum sperrt, ist mir schleierhaft“ kommentiert dies Klaus Poster. „Kein Wunder, dass die sich da jetzt lieber über Kritik von links ärgern, statt Nazi-Terror zu verhindern.“

Kunstausstellung mit Adbustings
Wer jetzt auch mal Adbustings sehen möchte, muss dafür nicht ins Terrorzentrum GETZ. In Berlin eröffnete am Freitag, den 17. Juni 2022 „Werbepause: The Art of Subvertising“. Die Ausstellung im Künstler*innenhaus Kreuzberg zeigt Adbustings aus ganz Europa von über
50 Künstler*innen. Mit dabei: Adbustings, die den Geheimdienst kritisieren und 2019/20 Thema im Terrorzentrum GETZ waren und weitere Kunstwerke, wegen denen die Behörden DNA-Analysen und Hausdurchsuchungen
veranstaltete. Die vom Hauptstadt-Kulturfonds mit 75.000 Euro unterstützte Ausstellung ist noch bis zum 21.8.2022 zu sehen.

https://www.kunstraumkreuzberg.de/programm/werbepause-the-art-of-subvertising/

Das Interesse der Kunstwelt an Adbustings ist kein Einzelfall. In Hamburg zeigte das Museum für Kunst und Gewerbe bis vor Kurzem die Ausstellung „Poster und Papierkram. Ein Glossar des Sammelns“. Mit
dabei: Adbustings der Gruppe Dies Irae, wegen der es 2019 zu einem Gerichtsprozess kam. Und auch die NSU-Adbustings im Terrorzentrum waren 2021 bereits Teil der Ausstellung „Friendly Capitalism Lounge Vol. 17“ des Berlin Busters Social Club in der Berliner Galerie Neurotitan.

https://neurotitan.de/Galerie/Archiv/2021/20210327_neurotitan_2020.html

Mehr Infos:

Artikel auf netzpolitik.org zum letzten Mal, als Adbustings im GETZ
Thema waren:
https://netzpolitik.org/2020/mit-geheimdienst-polizei-und-terrorabwehrzentrum-gegen-ein-paar-veraenderte-plakate/

Wegen Adbustings gab es auch schon Hausdurchsuchungen. Eine
Jurastudentin klagt deswegen in Karlsruhe:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting-jurastudentin-verfassungsbeschwerde-strafbar-diebstahl-sachbeschdigung-urheberrechtsverletzung/