Das LKA Berlin ist so verzweifelt von überklebten Werbeplakaten, dass es linken Aktivist*innen mit Hausdurchsuchungen zu Leibe rückt. Dagegen klagt nun die Aktivist*in Frida vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit Unterstützung der Rechtswissenschaftler*innen Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi (Universität Trier) und Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano (Universität Bremen). „Die Polizei macht sich lächerlich, wenn sie wegen veränderter Poster Hausdurchsuchungen machen“ sagt Frida. „Die brauchen da mal dringend Nachhilfe aus Karlsruhe.“
Beim Adbusting erwischt
Die Aktivistin Frida wurde zusammen mit einer anderen Person beim Aufhängen eines korrigierten Bundeswehrplakats von einer Zivilstreife beobachtet. Sie nahm die Personalien der zwei Aktivist*innen auf und beschlagnahmte das Plakat. Den scheinheiligen Satz „Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?“ verbesserten die beiden zu „Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe!“
Ein Poster, drei Hausdurchsuchungen
Es folgten Hausdurchsuchungen in drei Wohnungen im Umfeld der Betroffenen. Gegen die Hausdurchsuchungen legt Frida nun Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. „Etwas Papier, Kleister und die Aussage ’Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe’ reichen für Polizei und Landgericht also aus, um derart massiv in unsere Privatleben einzudringen“ meint Frida Henkel. „Dass das trotzdem passiert ist, kann ich mir nur damit erklären, dass wir inhaltlich diese Kritik geübt haben.“
https://www.zdf.de/nachrichten/video/panorama-adbusting-plakate-100.html
„Kritisches Adbusting ist grundrechtlich geschützt“
Auch Andreas Fischer-Lescano, Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht, Rechtstheorie und Rechtspolitik, kritisiert: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
Eindeutig, dass Hausdurchsuchungen unverhältnismäßig sind
Mohamad El-Ghazi, Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Trier ist ähnlicher Meinung: „Wir sprechen hier, wenn überhaupt, über einfachen Diebstahl, beziehungsweise über Sachbeschädigung. Bei Adbusting geht es maximal um Bagatellkriminalität. Ich glaube, es ist relativ eindeutig, dass hier Hausdurchsuchungsmaßnahmen, also Eingriffe in die Wohnung, unverhältnismäßig sind.“
https://www.sueddeutsche.de/kultur/adbusting-unverhaeltnismaessigkeit-der-mittel-1.5024488
Adbusting ist Thema im Terrorabwehrzentrum
Die harte Verfolgung von Adbustings ist kein Einzelfall: Im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) war Adbusting in 2018/19 gleich viermal Thema (https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/172/1917240.pdf, S. 5). Das GETZ wurde 2012 zur Bekämpfung von Rechtsterrorismus nach dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ gegründet. Im Jahr 2019 stand Adbusting im Verfassungsschutzbericht (https://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2018.pdf, S. 127). Das Bundesamt für Verfassungsschutz nannte Adbusting-Aktionen, die Polizei und Militär kritisieren, in einem Atemzug mit Angriffen auf Beamte. Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) sammelt Informationen zu linken Adbustings (https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/172/1917240.pdf, S. 7f), weil es seine Aufgabe sei, „die Sicherheit der Liegenschaften der Bundeswehr und ihrer Verbündeten zu gewährleisten.“
Fingerabdrücke und DNA-Spuren
Die Polizeien von Berlin, Bayern und Thüringen ließen gefundene Poster auf Fingerabdrücke und DNA-Spuren untersuchen. Dies ist nur bei „erheblichen“ Straftaten erlaubt. Die Verfahren zu Adbusting mit Werbevitrinen endeten bisher mit Einstellungen wegen Geringfügikeit. Der erste und bis jetzt größte Fall vor Gericht im Oktober 2019 wurde eingestellt (https://taz.de/Repression-gegen-Adbusting/!5693667/). Die Staatsanwaltschaften von Berlin, Erfurt und Hamburg stellten Adbusting ein, weil sie keine Strafbarkeit erkennen konnten.
Kritik aus der Politik
Ulla Jelpke, Abgeordnete der Linken im Bundestag unterstützt das Anliegen: „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Sicherheitsbehörden womöglich deswegen gleich ‚Gewalt‘ und ‚Extremismus‘ rufen, weil die Plakatkünstler mit ihrer Kritik an Gewalt durch Polizei und Militär durchaus ins Schwarze getroffen haben. Getroffene Hunde bellen.“ (https://www.ulla-jelpke.de/2020/02/diskreditierung-kritischer-plakatkunst-durch-geheimdienst-ist-unverhaeltnismaessig/). Auch Anne Helm, Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Berlin, sagt: „Adbusting ist kein Terrorismus.“
Landgericht lehnte eine Beschwerde ab
Frida hatte bereits eine Beschwerde beim Landesgericht eingereicht. Diese wurde abgelehnt. Klaus Poster von der Soligruppe plakativ dazu: „Sogar das Landesgericht muss anerkennen, dass Adbusting keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder sonst irgendwen bedeutet und in diesem Sinne eine ‚unerhebliche Straftat‘ sei.“ Doch weil LKA und Staatsanwaltschaft keinen ausreichenden Tatverdacht hatten, sagt das Landgericht, sie hätten durchsuchen müssen, um zu gucken, ob sie nicht doch einen Tatverdacht hätten finden können. Deshalb sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliegend „noch“ gewahrt gewesen. „Wer das jetzt gaga findet, hat es begriffen“ erläutert Klaus Poster.
Mehr Informationen zur abgelehnten Beschwerde:
https://plakativ.blackblogs.org/2020/09/11/hausdurchsuchungen-wegen-adbustings-berliner-lka-wiegt-sich-noch-in-sicherheit/
Solidarität aus der Kommunikationsguerilla
Mit Frida solidarisierten sich Adbusting-Gruppen. In Berlin hängte die Gruppe 110% subversiv gestern verbesserte Polizeiposter in Werbevitrinen. Statt „Wir schützen auch das Recht gegen uns zu sein“ hieß es auf den Postern „Wir scheißen auf das Recht gegen uns zu sein.“ Subversica Meyer, die Sprecher*in der Gruppe 110% subversiv sagte: „Außerdem sendet 110% subversiv mit ihrer Adbusting-Aktion Probs und viel Kraft an die Genossin*innen von der anarchistischen Bibliothek Kalabalik. Und an Frida, die gerade vor dem Bundesverfassungsgericht gegen eine Hausdurchsuchung wegen Adbusting klagt. Denn wir wissen ja alle: Ob friedlich oder militant – Wichtig ist der Widerstand!“
Mehr Infos und Bilder der Aktion in Berlin:
https://de.indymedia.org/node/106642
Mehr Infos:
StA Berlin: Adbusting straffrei, wenn man eigene Poster mitbringt: