„Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt.“ Das schreibt der Bremer Professor für Staatsrecht Andreas Fischer-Lescano in einen aktuellen Beitrag für Verfassungsgblog.de. Vor dem Hintergrund des in aller Regel geringen Sachschadens durch Adbusting entstünde der Verdacht, dass der Ermittlungseifer vom Inhalt der Adbustings befeuert werde, wenn diese sich kritisch mit Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr auseinandersetzten: „Das Vorgehen gegen spezifische Meinungsinhalte wird von Art. 5 GG grundsätzlich untersagt. Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt.“
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/
DNA-Analyse gegen veränderte Bundeswehr-Werbung
Hintergrund für diese Einschätzungen ist das Vorgehen der Berliner Polizei gegen das Verändern von Werbeplakaten. So veränderten zum Tag der Bundeswehr Unbekannte Bundeswehr-Poster. So hieß es nun: „Gas, Shoa, Schießen“ statt „Gas, Wasser, Scheiße“ und „Bundeswehr macht den Franco A.“ statt „Bundeswehr macht den Meister“. Bilder davon gibts hier: https://de.indymedia.org/node/33870 Weil dabei die Bundeswehr „gar lächerlich“ gemacht wird (Zitat Polizeiakte), setzt das Berliner LKA dazu auch auf Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen.
Adbustings machen Bundeswehr „lächerlich“
Als DNA-Analysen im Strafverfahren eingeführt wurden, war sich die Öffentlichkeit und der Gesetzgeber einig, dass ein solcher tiefer Eingriff in die Privatsphäre ledig bei erheblichen Straftaten wie Mord, Totschlag, Vergewaltigung angewendet werden solle. Ein Blick in jetzt öffentlich gewordene Polizeiakten zeigt, dass der Berliner Staatsschutz DNA-Analysen wie selbstverständlich einsetzt, um das Verändern von Plakatwerbung der Bundeswehr zu verfolgen. „Ist ein Verfolgungsinstrument erst einmal da, zeigt die Erfahrung, dass die Hürde, es anzuwenden, in polizeilichen Praxis immer niedriger wird“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ, die die besagten Polizeiakten zugespielt bekam. Bei der Verwendung von DNA-Spuren kommt es laut Gesetzgeber auch auf die Frage der Verhältnismäßigkeit an. „Daran bestehen aber im Tempelhof-Fall erhebliche Zweifel“ schreibt Professor Fischer-Lescano in seinem Artikel weiter.
Mindestens fünf Hausdurchsuchungen wegen Adbustings in Berlin
Ein Gerichtsprozess wegen Adbusting im letzten Jahr und eine Anfrage des Abgeordneten Niklas Schrader brachten in letzten Herbst ans Licht, dass der Staatsschutz mit massiven Mitteln gegen das Verändern von Bundeswehr-Postern vorgeht. Seit Ende 2015 ermitteln mindestens drei Polizist*innen in diesen Fällen. Wegen veränderter Werbeplakate kam es in Berlin bereits zu mindestens 5 Hausdurchsuchungen. Die Verfahren endeten bisher mit Einstellungen wegen Geringfügigkeit. Auch der Berliner Innen-Staatssekretär Ammon spricht in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage von Adbusting als „minderschwerer Kriminalität.“
Zugespielte Polizeiakten
Doch das hält das Berliner LKA nicht davon ab, auch das eigentlich für schwere Straftaten vorgesehene Instrument der DNA-Analyse gegen Adbuster*innen einzusetzen. Das zeigt eine Akte, die vor wenigen Tagen der Soligruppe plakativ zugespielt wurde. In der Akte mit den Aktenzeichen 231 Ujs 1941/19 und 190615-1600-022283 werden die Ermittlungen anlässlich eines des „Tag der Bundeswehr“ im Juni 2019 geschildert. Da die Bundeswehr aus diesem Anlass Plakatwerbung schaltete, kam es auch zu zahlreichen antimilitaristischen Plakatveränderungen (Bilder damaligen Aktion finden sich hier: https://de.indymedia.org/node/33870 ).
DNA-Analysen gegen Adbustings
Die Akte zeigt, die zum Einsammeln der veränderten Poster eingesetzten Streifenpolizist*innen diese wie selbstverständlich nur mit Gummihandschuhe anfassen und gleich in luftdichte Plastikbeute stecken. Weiter findet sich in der Akte ein am 27.6.2019 erstellter „KT Antrag mit U-Material“. Unter der Rubrik „Art der Maßnahme“ heißt es: „Um Analyse der Spur(en) zur Eingabe in die DNA-Analyse-Datei (DAD) wird gebeten. Bitte DNA Spuren sichern und verwertbare Spuren in die DAD einstellen.“ Darüber hinaus ordnet das LKA auch an, die Poster auf Fingerabdrücke zu überprüfen. Dies erfolgt auch. Am 10.1.2020 lag ein Bericht des lKA KTI 53 vor: „Nch kriminaltechnischer Untersuchung der zehn sichergestellten Plakate, weisen diese keine für eine Identifizierung der verursachenden Person geeignete daktyloskopische Spur auf“. Ein Ergebnis der DNA-Analyse findet sich in der Akte leider nicht.
Kleine Anfrage bringt Geheimdienst-Infos ans Licht
Das LKA Berlin ist nicht die einzige staatliche Behörde, die angesichts von veränderten Werbeplakaten völlig unverhältnismäßig überreagiert. Eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke brachte ans Licht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) systematisch Informationen zu Adbusting sammeln. Der Link zur Kleinen Anfrage: https://www.ulla-jelpke.de/wp-content/uploads/2020/02/KA-19_16887-Adbusting-komprimiert-1.pdf
Staatsanwaltschaft kann keine Strafbarkeit erkennen
In Thüringen jagten übereifrige Polizist*innen aus Erfurt Adbuster*innen ebenfalls mittels DNA-Analyse. Nach einer parlamentarischen Anfrage musste Staatsanwalt Grüneisen kleinlaut mitteilen: „Wir haben das eingestellt. Wir könnten keine Strafbarkeit erkennen.“ Quelle:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1128063.zentrum-fuer-politische-schoenheit-ermittlungen-die-es-nie-haette-geben-duerfen.html
Terror oder lächerlich?
Den Vogel schießt aber das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GETZ) ab. Dort war Adbusting in 2018/19 gleich viermal Thema. Auch dieser Beschäftigung der Geheimdienste erteilt Prof. Fischer-Lescano eine Absage: „Dabei werden die Sicherheitsbehörden offenbar gerade durch den Inhalt der durch die Adbustings geäußerten Meinung getriggert. Warum sonst sollte das BfV Adbustings, die sich etwa kritisch mit Polizeigewalt befassen, pauschal dem gewaltorientierten Linksextremismus zuordnen? (…) All das verkennt aber die Bedeutung der Meinungsfreiheit, die verallgemeinernde Äußerungen ebenso wie die Kritik am Staat und seinen Institutionen schützt.“
Lächerlich
„Warum die Behörden angesichts von veränderten Werbepostern so überreagieren, zeigt beispielhaft ein Blick in die Akte“ sagt Klaus Poster, Sprecher*in der Soligruppe plakativ. Dort steht auf Seite 50: „Unter Adbusting versteht man das Verfremden bzw. Umgestalten von Werbung im öffentlichen Raum in einer Art und Weise, dass deren ursprünglicher Sinn verändert oder gar lächerlich gemacht wird.“ Klaus Poster weiter: „Und das mögen autoritäre Charaktere überhaupt nicht. Dabei machen sie sich selbst mit ihrer Reaktion lächerlich“.
Mehr Infos:
Diese veränderte Bundeswehr-Werbung verfolgt das LKA mit DNA-Analyen:
https://de.indymedia.org/node/33870
Der Gerichtsprozess im Oktober 2019:
https://taz.de/Ermittlungen-gegen-Adbusting-in-Berlin/!5628984/
Voll normal in Berlin: 1 Poster, 3 Hausdurchsuchungen:
https://barrikade.info/article/3214
Kleine Anfrage im Bundestag zu GETZ, VS, MAD:
https://www.ulla-jelpke.de/wp-content/uploads/2020/02/KA-19_16887-Adbusting-komprimiert-1.pdf